Saxo Merrild, CEO von Happy Helper, über Service-Plattformen im digitalen Zeitalter
Veröffentlicht: Januar 16, 2025
Happy Helper ist eine Service-Plattform, die Reinigungskräfte und Kunden einfach und transparent verknüpft. Im Interview erzählt er, wie man unterschiedliche Service-Plattformen bzw. Marktplätze managet, wie man als Unternehmen schlank bleibt und warum der Wettbewerb nicht immer zum Feind erklärt werden muss.
Übersicht:
- Einführung: Saxo Merrild & Happy Helper
- B2B- und B2C-Kundenmanagement auf einer Plattform
- Das Happy Helper-Geschäftsmodell
- Plattform-Akquise und Management
- Ein schlankes Unternehmen für mehr Flexibilität
- Was man aus Unternehmensakquise lernen kann
- Auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb
Einführung: Saxo Merrild & Happy Helper
Mein Name ist Saxo, ich bin ein dreißigjähriger Entrepreneur. Ich habe damals mit dem Unternehmen Handyhand meine Reise als Geschäftsführer angefangen. zu Beginn 2024 haben wir Happy Helper aufgekauft und habe dadurch Billwerk+ kennengelernt.
Juliane: Wie würdest Du Happy Helper zu potenziellen Kunden und Reinigungskräften pitchen?
Saxo: Happy Helper ist eine Plattform, die Reinigungskräften mit aller administrativen Arbeit unterstützt, von der Zahlung zur Kundengenerierung über die Kommunikation hin zur Versicherung. Sie hilft Reinigungskräften bei der Selbstständigkeit.
Und für Kunden ist es ein nahtloser Weg, um mit privaten Reinigungskräften in Kontakt zu kommen. Das bietet durchaus andere Mehrwerte, als wenn man ein Reinigungsunternehmen bucht. Man hat eine persönlichere Beziehung und ist durch die Happy Helper-Plattform versichert und erhält Support bei Problemen.
Juliane: Auf Handyhand erhalten Kunden Hilfe für einmalige Aufgaben, beispielsweise die Reparatur der Spüle oder das Aufbauen von IKEA-Möbeln. Happy Helper ist derweil eher auf eine langfristige Beziehung mit einer Reinigungskraft ausgelegt. Hat das einen großen Unterschied gemacht, als Ihr Happy Helper aufgekauft habt?
Saxo: Ja, es ist definitiv eine interessante Reise gewesen. Handyhand ist vergleichbar mit eCommerce, wo man verschiedene Produkte immer und immer wieder verkauft. Als Plattform geht es da eher um Akquise als um Kundenbindung.
Auf der anderen Seite funktioniert Happy Helper eher wie ein Abo-Service, wo man Absprünge und die CLV (Customer Lifetime Value) managet. Und das ist sehr interessant, aber auch eine Herausforderung, von der wir viel gelernt haben.
B2B- und B2C-Kundenmanagement auf einer Plattform
Juliane: Ich habe erst neulich Tim Myhrvold von Waitly zu seiner Plattform für Miet-Wartelisten interviewt. Und Tim meinte, dass es bei einer Plattform für B2B– und B2C-Kunden immer eine Art Henne/Ei-Situation ist, wenn es darum geht zu entscheiden, wer zuerst auf der Plattform sein muss, um die andere Kundengruppe anzulocken. Ist das bei Handyhand und Happy Helper ähnlich?
Saxo: Ja, das ist ein guter Punkt. Auch hier haben wir zwei verschiedene Situationen. Für Handyhand haben wir entdeckt, dass es einfacher ist, wenn wir erst die Kunden onboarden, also die Nachfrage. Dann kann man diese Nachfrage nämlich den Hilfskräfte anbieten und man hat schon sehr konkrete Beispiele der ausgeschriebenen Aufgaben.
Da haben wir dann in Facebook-Gruppen gepostet oder auch direkt Serviceanbieter in der Gegend angeschrieben. Das war ein ziemlicher Rockstar-Pitch für alle: „Registriere Dich & verdiene Geld.“
Mit Happy Helper brauchen wir erst die Reinigungskräfte, da das Angebot da sein muss, wenn Kunden nach einem Reinigungsservice in einer Stadt zu einer bestimmten Zeit suchen. Und es ist auch sehr viel einfacher, das Onboarding mit den Helpern zu beginnen, da Happy Helper einen sehr spezifischen Service anbietet im Gegensatz zur großen Auswahl bei Handyhand.
Juliane: Wo wir gerade vom Onboarding sprechen, wer braucht denn mehr persönlichen Support? Die Kunden oder die Reinigungskräfte bzw. Helper?
Saxo: Ich würde sagen, die Reinigungskräfte, weil sie täglich verschiedene Herausforderungen mit unterschiedlichen Kunden meistern.
Kunden brauchen auch manchmal Hilfe, aber wenn sie erfolgreich registriert sind, sind sie eigentlich startklar.
Juliane: Ich habe mich gefragt, wie viel Anleitung die Helper eigentlich brauchen, da sie ja oft keine erfahrenen Geschäftsmenschen sind und daher bei rechtlichen und bürokratischen Themen nicht so drin stecken.
Saxo: Bei Handyhand haben wir gelernt, dass man noch so viel in die FAQs werfen kann, niemand informiert sich dort.
Man muss Information da platzieren, wo sie für den Nutzer im richtigen Moment wichtig ist. Ich sag da immer: „Wenn die Information nicht Teil der Nutzerreise auf der Plattform ist, ist sie quasi unsichtbar für die Nutzer.“
Es ist trotzdem gut, Blogs und FAQs für besonders wissbegierige Nutzer, für Self-Service und für die Suchmaschinenoptimierung zu haben. Aber das ist nicht der „Lebensort“ der Information. Wirklich lebendig wird sie in mundgerechten Snippets, Videos und Audio-Clips und was sonst noch so passt. Und das alles genau dort und dann, wenn es vom Nutzer gebraucht wird. Das ist viel wirksamer.
Das Happy Helper-Geschäftsmodell
Juliane: Was sind die Herausforderungen für Kunden, die von der Happy Helper-Plattform gelöst werden?
Saxo: Als Erstes ist es sehr schwer als Kunde, im Vorfeld Preise einzuholen.
Als Kunde findet man schnell heraus, dass man online kaum lokale Reinigungsunternehmen findet, die einem sofort einen Preisvorschlag machen. Meistens wollen sie erst den Wohnort besuchen, sich umsehen und dann einen Preis festlegen, was für Kunden sehr aufwändig sein kann.
Bei uns gibt es direkt einen Preis, so dass Kunden genau wissen, was die Leistung kostet, je nach Reinigungsart, Dauer und Häufigkeit.
Zweitens finden wir die Reinigungskräfte. Kunden müssen uns nur sagen, was sie brauchen, und wir suchen die Helper heraus, die Zeit haben, in der Nähe wohnen, usw.
Und weiter im Prozess bieten wir auch Versicherung. Wenn zum Beispiel ein lokales Reinigungsunternehmen Bankrott geht oder etwas in der Wohnung kaputt macht, oder die Reinigung storniert, dann muss der Kunde mit der Versicherung, dem Unternehmen usw. kommunizieren. Happy Helper unterstützt hier, so dass Kunden sich sicher fühlen können, egal, was passiert.
Zu guter Letzt ist die Zahlung viel einfacher. Bei vielen lokalen Anbietern muss man sich oft an sehr spezifische Zahlungsvorgaben halten. Bei uns ist es so einfach, wie ein Software-Abo abzuschließen.
Juliane: Das waren also die Kunden. Und was sind die größten Vorteile für die Helper?
Saxo: Ich glaube der größte Vorteil ist der Zugang bzw. das Netzwerk. Viele unserer Helper sind Studierende oder Menschen, die frisch nach Dänemark gezogen sind. Da kann es schwierig sein, direkt die Kontakte zu finden, um die Selbstständigkeit aufzubauen. Mit Happy Helper kann man quasi innerhalb weniger Stunden sein Reinigungs-Business aufziehen. Das ist ein enormer Vorteil.
Und dann bieten wir alle Tools, um die verschiedenen Kunden zu managen – da man sehr selten nur einen Kunden für private Reinigungen hat. Und das gestalten wir so einfach wie möglich für alle Helper.
Plattform-Akquise und Management
Juliane: Ich habe gelesen, dass Ihr auch Handyhand übernommen habt und damals die existierende Plattform mit Eurer eigenen Lösung ausgetauscht und dadurch optimiert habt. Gibt es ähnliche Pläne für Happy Helper oder sollen die Plattformen voneinander getrennt bleiben?
Saxo: Ja, wir haben Erfahrung mit Legacy-Code. Wir haben damals das Unternehmen gekauft, das sehr viele Nutzer und Reichweite hatte. Aber das Geschäftsmodell und die Technologie hatte Optimierungsbedarf.
Also haben wir die alte Technologie entfernt, alle Nutzer auf unsere Datenbanken übertragen und unsere Technologie unter der alten Domain verwendet.
Mit Happy Helper ist es etwas anders, weil wir die Systeme nicht miteinander mergen wollen. Da es unterschiedliche Geschäftsmodelle sind, wollen wir sie auch auseinander halten.
Happy Helper hat aber auch eine Plattform, die ein Update bräuchte. Daher bauen wir hier eine völlig neue Plattform und wir sind schon ziemlich weit damit gekommen. Wir haben die Plattform für die Helper bereits fertig und für die Kunden launchen wir eine neue App und eine Kundenplattform im Dezember 2024.
Wir haben also in weniger als einem Jahr eine völlig neue Plattform für beide Nutzergruppen gebaut.
Ein schlankes Unternehmen für mehr Flexibilität
Juliane: Das ist ziemlich beeindruckend. Ich habe auch gelesen, dass Ihr nur ein Team von ca. 15 Leuten seid, das ist nicht viel für zwei Plattformen. Wie priorisiert Ihr hier, damit Ihr effizient bleibt?
Saxo: Wir haben uns bewusst entschieden, sehr schlank bzw. „lean“ zu bleiben. Jeder Entwickler arbeitet beispielsweise Full Stack, sie haben also viel Verantwortung für das jeweilige Produkt, an dem sie arbeiten. Dadurch können wir sehr schnell agieren.
Wir haben das Team nicht groß skaliert. Wir haben zwei Entwickler für Happy Helper und vier für Handyhand. Und wir wollen auch zukünftig schnell und agil bleiben.
Juliane: Du hast auch in Interviews gesagt, dass Ihr noch keine Investoren habt, was heutzutage sehr außergewöhnlich ist. Überlegt Ihr manchmal, Investoren einzubeziehen?
Saxo: Wir haben ein paar kleinere Investoren, ein paar Angel Investoren, aber wir haben nie eine große Venture-Runde gedreht. Um von Null auf Eins zu gehen, braucht man ein wenig Budget.
Manchmal überlegen wir, ob wir den Schritt doch gehen, und es gibt Interessenten. Und auch unsere Stakeholder pushen das Thema manchmal, aber wir haben einen sehr soliden Business Case.
Wir haben einen Marktplatz mit einem beeindruckenden GMV (Gross Merchandise Volume) aufgebaut, der es uns erlaubt, Geld einzuholen, wenn wir wollten.
Aber aktuell wollen wir sehen, wie weit wir gehen können. Und im dänischen Markt haben wir schon viele andere überlebt, die dasselbe versucht haben, mit und ohne Investoren.
Das zeigt, dass unsere Strategie funktioniert, daher werden wir es erstmal so belassen.
Juliane: Die Handyhand-Plattform hat ihre eigene App, Happy Helper demnächst auch – gibt es große Unterschiede, für die mobile vs. Web-Anwendung zu entwickeln?
Saxo: Es gibt anfangs immer eine Lücke, wenn man für App und Web entwickelt. Wir versuchen immer, die Oberflächen so ähnlich wie möglich zu gestalten, damit beide Lösungen auf demselben Backend laufen können und damit Kunden sich nicht an zwei verschiedene Oberflächen gewöhnen müssen, wenn sie zwischen App und Web wechseln.
Wir haben gelernt, dass eine gute Web-Anwendung sehr gut für die Akquise ist. Da kann man viel einfacher ein erstes Interesse ohne große Hürden wecken und auch über verschiedene Kanäle hinweg. Das lässt sich auch besser tracken. Und dann kann man Kunden zur App weiterleiten, wo die Nutzererfahrung besser ist und die CLV gestärkt werden kann.
Happy Helper ist aktuell vorwiegend via Web zugänglich, weil die App noch zur Legacy-Plattform gehört und nicht ganz so gut funktioniert, Aber genau deshalb launchen wir im Dezember die neue App.
Was man aus Unternehmensakquise lernen kann
Juliane: Was sind Deine größten Learnings bei dem Kauf anderer Unternehmen?
Saxo: Ich habe gelernt, dass man lieber zu viel, als zu wenig mit den Nutzern und Kunden kommunizieren sollte. Man sollte keine Angst haben, eine Mail zu viel zu schreiben, das ist viel besser, als wenn man die Leute im Dunkeln sitzen lässt. Das haben wir damals bei der Übernahme von Handyhand gelernt, als wir auch das Geschäftsmodell drastisch geändert haben.
Das haben wir damals auch versucht zu kommunizieren, aber wir haben nicht genug gemacht. Da hätten wir ruhig aggressiver vorgehen können.
Zusätzlich, wenn man ein Unternehmen übernimmt, braucht man ein totales Buy-In von diesem Unternehmen.
Als wir Happy Helper gekauft haben, hatten sie sich gerade als bankrott erklärt. Der Kauf hat gut funktioniert, weil wir eine sehr gute Beziehung zu dem Gründer aufgebaut hatten, der das Unternehmen verkauft hat, daher war er auch sehr bemüht, uns dabei zu unterstützen, Happy Helper zum Erfolg zu machen.
Wenn man nicht so eine gute Beziehung hat, wird es sehr viele interne Dinge geben, die so lange versteckt bleiben, bis es zu spät ist. Das kann man einfach nicht erfolgreich navigieren, wenn der ehemalige Gründer, die Entwickler usw. nicht unterstützen.
Und ein weiteres Learning war, dass Vorteile für existierende Nutzer nicht zwangsläufig mit dem CLV zukünftiger Nutzer gleichgestellt werden kann, da sich diese von den Nutzern, die über Jahre aufgebaut wurden, unterscheiden können.
Bei Happy Helper haben wir herausgefunden, dass die Umsatzgrundlage sehr gut war und die Kunden eine hohe CLV hatten. Und wir dachten, dass wir nur den CAC (Customer Acquisition Cost) verringern und den CLV beibehalten müssten. Mit einer besseren Akquise, so dachten wir, wäre es ein Kinderspiel.
Aber die CLV für neue Kunden war komplett anders. Die neuen Kunden waren nicht so loyal. Daher mussten wir nochmal von vorne anfangen und identifizieren, was wir neuen Nutzern bieten mussten, um den CLV der Bestandskunden zu matchen.
Juliane: Ja, selbst bei Dingen, die man erfolgreich schon immer so gemacht hat, muss man sich andere Optionen anschauen, weil sich Märkte und Menschen manchmal einfach ändern.
Saxo: Genau.
Juliane: Habt Ihr je darüber nachgedacht, Märkte außerhalb von Dänemark zu bespielen?
Saxo: Ja, das überlegen wir immer mal wieder. Ich glaube, für Happy Helper ist das attraktiver, weil es ein vertikales Business ist. Handyhand ist sehr horizontal, das macht es schwieriger, in einen neuen Markt einzusteigen, weil man Bedarf und Services über verschiedene Bereiche hinweg abdecken muss.
Es ist noch ein sehr zerstückelter Markt, besonders in Europa. Es gibt ein paar große amerikanische Player und in Australien, der UK und auch Europe gibt es auch einige größere Mitspieler. Fresca hat einen Reinigungsmarktplatz in Finnland, Schweden und Norwegen. Ich weiß, dass es in Deutschland MyHammer und ein paar andere Plattformen gibt. Aber niemand hat bislang den großen Schritt gewagt, um DIE Gig-Plattform über verschiedene Märkte hinweg zu werden. Und das liegt daran, dass es einfach sehr teuer und schwer ist, in diesem Kontext eine User Base aufzubauen.
Und daher habe ich nicht das Gefühl, dass ich sowas machen muss. Ich will nicht das, was wir hier in Dänemark aufgebaut haben, riskieren, um aggressiv zu expandieren, wenn ich diese anderen Märkte nicht genug kenne.
Auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb
Juliane: Wie sehr hast Du den Wettbewerb im Blick?
Saxo: Ich habe sie im Blick, aber vor allem versuche ich, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Ich versuche in diesen Bereichen eine Community aufzubauen. In Dänemark haben wir jetzt zwei Unternehmen aufgekauft, weil man anders keine Nutzerschaft aufbauen kann.
Und ich bin mir sicher, wer auch immer, der größte europäische Player wird, dass es das Unternehmen sein wird, dass verschiedene Unternehmen aufkauen und kombinieren kann, wie es niemand sonst geschafft hat.
Da ist mir ehrlich gesagt auch egal, ob wir aufgekauft werden oder aufkauen. Ich will einfach in Kontakt mit meinen Wettbewerbern bleiben, weil ich sie sehr respektieren.
Was Fresca in den Nordics geschafft hat, MyHammer in Deutschland und Airtasker in Australien und der UK – das sind alles Unternehmen, die sehr spannende Dinge machen und wir können voneinander lernen und Beziehungen aufbauen, nicht zuletzt, weil wir uns – noch – nicht auf die Zehen treten.
Aber selbst dann ist es so viel besser, wenn man gut miteinander auskommt.
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